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Oktober / November 2011

Liebe Gemeinde,

so langsam neigt sich das Kirchenjahr schon wieder dem Ende zu. Wer nicht mehr ganz jung ist, fragt sich wie die Zeit nur wieder so schnell vergehen konnte. Und in den meist wenigen ruhigen Momenten lässt man das Vergangene an sich vorbeiziehen.

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Der Spiegel des Gedächtnisses ist dabei oft beschlagen, weil die Zeit im Alltag nicht reicht, klare Bilder in meine Erinnerungen zu malen.

Zeit – dies scheint ein Schlüsselwort unserer Tage zu sein. Die, welche Arbeit und Beschäftigung haben, sind getrieben von ihr. Die, die keine Arbeit haben oder im Ruhestand sind, kämpfen oft gegen sie an, weil sie so viel Einsamkeit mit sich bringt.

Dabei ist Zeit doch ein ganz besonderes Geschenk unseres Gottes. Fast jeder von uns kennt die »alles hat seine Zeit«-Bibelstelle aus dem Buch Prediger. Und doch fällt es mir so schwer, jeden Schritt des Tages in dieser Gewissheit der zeitlosen Gegenwart Gottes zu gehen. Er, bei dem Zeit keine Rolle spielt, fordert mich auf, im Jetzt so zu leben, dass meine Gegenwart schon ein Schritt in die Ewigkeit ist.

Im vergangenen Sommer habe ich ein kleines Büchlein von und über Gerhard Tersteegen gelesen. Tersteegen war nicht nur einer der großen Liederdichter des deutschen Protestantismus, sondern auch ein begnadeter und leidenschaftlicher Beter. Beim Lesen ist mir bewusst geworden, wie existenziell doch das Gespräch mit meinem Schöpfer ist. Und wieder stellt sich die Frage, warum nehme ich mir nur so wenig Zeit dafür? Dabei ist Gebet ja in keiner Weise nur ein förmliches Gespräch, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung. Ein Geschenk Gottes an Jeden, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Nicht nur bitten und danken, sondern auch fragen, zweifeln, freuen, anklagen, suchen, teilen, oder einfach nur schweigen.

Und warum? Weil Gebet Veränderung bewirkt. Nicht unbedingt immer so, wie ich es mir wünsche, aber immer, wie es gut für mich ist. Mit Gebeten verändere ich nicht in erster Linie meine Umwelt, sondern mich selbst, weil Gott wieder ein Stück mehr von mir lebendig werden lässt und ich die Chance habe, aus der Enge der Zeit in die Ewigkeit zu reichen. Und trotzdem, oder gerade deshalb ist Gebet im Hier und Jetzt, für den Einzelnen und in unserer Gemeinde so wichtig. Es hilft uns klarer zu sehen und Gottes Willen, statt unsere Pläne zu leben.

Auch aus diesem Grund haben sich ein paar Gemeindeglieder entschlossen, wieder einen Gebetskeis für unsere Gemeinde ins Leben zu rufen, zu dem jeder von Ihnen herzlich eingeladen ist.

Ich wünsche uns allen, dass wir den Mut haben, ein wenig mehr Zeit in der Zeitlosigkeit zu verbringen. In der Gewissheit, dass wir mehr geschenkt bekommen, als wir selbst jemals geben können.

Gott segne Sie,
Ihr Johannes Groth.