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Juni / Juli 2013

Liebe Gemeinde,

in diesem Juni feiern meine Mitschüler und ich unser dreißigjähriges Abitur. Ich freue mich schon sehr auf das Treffen: Wie lange ist das her, dass wir gemeinsam in der Schule saßen? Es kommen die Erinnerungen, und einige »Weißt-du-es-noch«.

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Später ist es auf einmal so, als säßen wir wieder dort. So geht es uns manchmal mit Erinnerungen: Sie sind nicht nur Rückblick, sondern auch gegenwärtig. Es fühlt sich so an, als geschähe es jetzt im Moment. Nicht nur: »Ich war geliebt«, sondern: »Ich bin geliebt.« Nicht nur: »Da öffnete sich mir eine Tür«, sondern: »Da ist eine offene Tür.« Nicht nur: »Ich war glücklich«, sondern: »Ich bin jetzt voller Glück.« Nicht nur: »Ich fühlte mich völlig frei«, sondern: »Ich bin frei.«

Nicht nur: »Ich wurde getauft«, sondern: »Ich bin getauft.« Ich wurde getauft, damals, als meine Eltern mich Gott anvertrauten. Ich wurde getauft, damals, als ich so gern dazu gehören wollte.

Ich bin getauft, heute – Gott anvertraut, dem ich vertrauen darf, von Gott gehalten, an dem ich mich festhalten kann. Ich bin getauft, heute – und gehöre dazu, zu einer Gemeinschaft, zu der viele verschiedene Menschen gehören, so dass auch ich, so wie ich bin, da hineinpasse. Ich bin getauft, heute – und gehöre in eine Kette von Menschen vor mir und darf weitertragen, was mich trägt.

Ich bin getauft – aber mal ehrlich: Wie oft denke ich eigentlich daran?

Ich muss mich erinnern – nur wie?

Erinnerung kann ich nicht einfach aus der Tasche holen, nach dem Motto: Jetzt gerade fühle ich mich so allein gelassen, also denke ich mal daran, dass ich getauft bin. Das geht nur, wenn die Erinnerung daran geübt ist.

Aber lässt sich Erinnerung einüben? Ich brauche Zeichen, die die Erinnerung lebendig halten, so dass sie mehr ist als nur ein Rückblick. Dazu kann gehören: Wann wurde ich eigentlich getauft? Kann dieser Tag eine Bedeutung haben? Welchen Taufspruch hatte ich? Kann der irgendwo sichtbar werden und mich begleiten? Gibt es eine Taufkerze, die ich am Tauftag anzünden kann? Auch wenn ich den Gottesdienst besuche, werde ich an meine Taufe erinnert. Zum Beispiel in unserem Gemeindehaus in der Fiedlerstraße. Betrachten Sie einmal den hölzernen Taufstein. Jesus steht im Wasser des Jordans. Johannes hält die Taufschale mit Wasser und leert sie über Jesus. Und dazu tritt ein Dritter, Gott, angedeutet in den Lichtstrahlen, die von oben rechts auf Jesus fallen.

Am 7. Juli laden wir Sie herzlich zum Gemeindefest ein. Wir beginnen mit einem Gottesdienst mit Taufen und Taufgedächtnis in der Ruine. Wir wollen uns erinnern: Gott sprach und spricht zu mir: »Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.« (Jes 43,1) Und wozu das alles? Damit ich mich auch dann erinnern kann, wenn es nötig ist, wenn ich mich allein fühle, schuldig geworden bin, mich entscheiden muss, wie ich lebe und wie ich mich verhalten will. Daran will ich mich oft erinnern: Ich bin getauft.

Übrigens: Wir haben bei unseren Nachforschungen zum Taufstein, der wohl in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts geschaffen wurde, den Künstler nicht ermitteln können. Vielleicht können Sie der Erinnerung auf die Sprünge helfen?

Im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grüßt Sie ganz herzlich
Ihre Pfarrerin Carola Ancot