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Februar / März 2014

Liebe Gemeinde,

»Alle Sünder willkommen!« – so steht es auf der weit geöffneten Tür.

Ein Gag oder ernst gemeint? Dieses Schild existiert an einer Pilgerübernachtungsstätte in der Nähe von Görlitz. Ich vermute, derjenige, der dieses Schild anbrachte, hat sich dabei etwas gedacht. Wirkt dieses Schild nun aber einladend, wie die offene Tür oder doch eher hemmend, denn wer will schon ein Sünder sein und dies dann noch offen zu erkennen geben durch den Zutritt über diese Türschwelle hinweg? Was werden die anderen dann denken?

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Was denke ich von mir selbst?

Die ersten Erfahrungen dieses Jahres liegen bereits hinter uns oder sie hängen uns noch an; sie begleiten uns weiterhin auf dem Weg durch dieses Jahr. Nicht alles lässt sich ja abschütteln wie der Staub von manchen Sachen. Da begegnet uns in den kommenden Tagen der 13. Februar: diese Geschichte werden wir nicht los. Dieser Tag hat sich eingebrannt in das Gedächtnis. Wir sind wieder aufgerufen, der Zerstörung Dresdens zu gedenken. Aber es ist ja nicht nur die Zerstörung, die uns zu schaffen macht, es ist die Gleichgültigkeit und die Verführbarkeit des Menschen, es ist das Wegschauen, wenn andere Menschen bedroht, verfolgt, misshandelt und getötet werden.

Es sind auch die Heilsversprechungen von Menschen, die an den Stolz, die Eitelkeit und den Egoismus anknüpfen, weshalb der Mensch für Irrwege so empfänglich ist. Am Ende dieser verführerischen Heilsversprechungen steht immer Zerstörung. Menschenrechte werden verletzt. Frieden missachtet.

Was Menschen einander antun können, wird uns in diesem Jahr auch drastisch vor Augen geführt, wenn sich am 28. Juli der Beginn des 1. Weltkriegs mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien zum 100. Mal jährt. Aber was hat das alles mit uns heute zu tun?

Das sechste Themenjahr der Lutherdekade beschäftigt sich in diesem Jahr mit der Frage »Reformation und Politik«. Wie politisch sollten Christen sein? Und wie christlich die Politik? Die Landtagswahlen werden uns in diesem Jahr zu einer persönlichen Entscheidung herausfordern.

Auch Kirchenvorstandswahlen stehen am 14. September 2014 an. Die Frage lautet dann: Wem gebe ich mein Vertrauen und wünsche, dass er bzw. sie im Kirchenvorstand Verantwortung für unsere Gemeinde trägt? Bin ich selbst bereit, dieses Amt zu übernehmen und es als meine Berufung von Gott her anzusehen? Stelle ich mich deshalb dieser Aufgabe?

Wenn wir dabei auf unser eigenes Leben oder das des anderen Menschen schauen, ob es dann auch heißen kann »Sünder willkommen!«?

Vor uns liegen nun auch die sieben Wochen der Passionszeit. Es ist eine gute Gelegenheit, sich mit den Lebensfragen auseinanderzusetzen. Der Leidensweg Jesu eröffnet uns die Möglichkeit, sich mit dem auseinanderzusetzen, was an Schwerem und Leidvollem in unser Leben hineingelegt ist. Den »Schatten« unseres Lebens können wir nicht abwerfen, aber es gibt diese Möglichkeit von Gott her, das Dunkle als wesentlich für unsere innere Reifung zu begreifen und das Unverständliche auszuhalten.

Das Wort der Jahreslosung »Gott nahe zu sein ist mein Glück« (Psalm 73,28) hilft uns dabei, denn es stammt von einem Menschen, der sein Leben mit den Lebensentwürfen anderer verglich. In seinem Ringen mit den »Warum – Fragen« des Lebens kommt er zu dem Ergebnis, wo er sagt: Ich aber suche Gottes Nähe, denn Gott hält mich an seiner rechten Hand. Bei Gott gilt: »Sünder willkommen!« Dieses Willkommen sein lasst uns miteinander in unserer Kirchgemeinde leben und gestalten.

Ihnen allen eine gesegnete Zeit – wo und wie auch immer sich Ihr Leben gestaltet

Ihr Christian Haustein