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April / Mai 2014

Liebe Gemeinde,

die beiden Abendmahlskelche aus dem 17. Jahrhundert gehören zu den wenigen Kostbarkeiten, die die Böhmische Gemeinde zu Dresden, eine der Wurzeln unserer Johanneskirchgemeinde, über die Jahrhunderte durch Kriege und Vertreibung gerettet hat. Bis heute verwenden wir sie bei besonderen kirchlichen Festtagen.

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Abendmahl, das heißt Abschied. Am Abend verabschieden wir uns vom Tag. Am Gründonnerstagabend nahm Jesus die letzte Mahlzeit mit seinen Jüngern ein. Brot und Wein sind seine Abschiedsgeschenke an sie und an uns. 1614 durften die evangelischen Böhmen in Prag ihre Salvatorkirche bauen. Doch schon 1620 endete mit der Schlacht am Weißen Berg diese kurze Periode der freien Religionsausübung. Die Evangelischen in Böhmen wurden verfolgt und vertrieben. Sie mussten von ihrer Heimat Abschied nehmen. Viele kamen nach Sachsen. Im Gepäck führten sie die Kelche mit sich, Symbole des Abschieds. Die Exulanten hatten dafür gestritten, dass jeder Christ das Abendmahl in Brot und Wein empfängt. »Nehmet hin, und trinkt alle daraus«, sagt Jesus. Abendmahl – Zeichen des Abschieds. Bis heute feiern wir mit Sterbenden das Abendmahl.

Das Abendmahl weist uns auf unsere Abstammung hin. Es steht in der Tradition des jüdischen Passamahls. Juden erinnern sich beim Passamahl an den Auszug aus Ägypten. Christen denken an Jesus und seine Jünger und an jeden, der durch die Jahrhunderte hindurch Stärkung aus dem Heiligen Abendmahl gezogen hat. Die böhmischen Christen zu Dresden sahen sich in der Traditionslinie ihrer Väter und Mütter. Sie wollten so treu wie diese ihren Glauben leben. Einer der Bibelverse, der in den alten Predigten auftaucht, ist Psalm 22,5: »Unsere Väter hofften auf dich, und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.« Auch wir können aus der Standhaftigkeit unserer Vorfahren im Glauben lernen, z. B. derer, die in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts gelebt haben.

Abendmahl, das bedeutet Absolution. »Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird«, heißt es in den Einsetzungsworten. Im Abendmahl nimmt Christus alles weg, was uns von Gott trennt. Er erlöst uns von unseren Verfehlungen, befreit uns von dem, was uns beschwert. Die böhmischen Exulanten in Dresden praktizierten vor dem Abendmahl noch die Einzelbeichte. Heute bringen wir unsere Schuld im gemeinsamen Sündenbekenntnis vor Gott. Dass Christus uns erlöst hat, ist der Grund unseres Glaubens. Darum nannten die alten Prager Protestanten ihre Kirche »Salvatorkirche«. »Erlöserkirche« hieß wiederum die Kirche ihrer Nachfahren auf der Paul- Gerhardt-Straße in Striesen. Sie wurde 1880 geweiht und 1945 zerstört.

Liebe Schwestern und Brüder, lassen Sie sich herzlich einladen zu unseren Abendmahlsgottesdiensten. Beispielsweise mit den Konfirmanden am Gründonnerstag, zu Ostern und Pfingsten.

In diesem Jahr jährt sich die Einweihung der Salvatorkirche zu Prag zum 400. Mal. Darum laden wir Sie herzlich ein zu einem Vortrag über die böhmischen Exulanten in Dresden am 29. April im Gemeindehaus Haydnstraße. Am 14. Juni wollen wir mit Mitgliedern der Prager Salvatorgemeinde von Leitmeritz zur Radebeule wandern. Und vom 3. bis 5. Oktober sind wir von den Pragern herzlich eingeladen, das Jubiläum mitzufeiern. Ich würde mich freuen, wenn Sie bei der einen oder anderen Gelegenheit mit dabei wären.

Im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grüßt Sie ganz herzlich

Ihre Pfarrerin Carola Ancot