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August / September 2018

Abnehmen und Wachsen

Viele Dinge im Leben begegnen uns nicht nur öfters, sondern sogar regelmäßig. Weihnachten, der eigene Geburtstag, die Steuererklärung oder die Vorsorge beim Zahnarzt oder, falls wir ihn bisher bemerkt haben, der Johannistag immer am 24. Juni. Letzterer führt eher ein Schattendasein, wenn er nicht wie in diesem Jahr auf einen Sonntag und noch dazu auf unser Gemeindefest fällt.


© Bernd Kasper, pixelio.de

Wer war nun dieser Johannes der Täufer? Was macht ihn beachtenswert? Diese Fragen wurden zum Gemeindefest durch das gleichnamige Musical beleuchtet, welches von den Musical-Kids und weiteren Christenlehrekindern aufgeführt wurde.

Die Evangelien bezeichnen ihn dann als die „Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben!“ Er lebt abgesondert in der Wüste, bekleidet mit einem Gewand aus Kamelhaar samt Gürtel und ernährt sich von Heuschrecken und Honig. Ein Außenseiter also? Seine Botschaft schallt nicht aus Jerusalem, dem Zentrum der religiösen und politischen Macht. Damit steht er im Kontrast zum Tempelkult, der sich mit der ungeliebten römischen Besatzung zu arrangieren hatte. Johannes möchte das Erscheinen des ersehnten Messias vorbereiten. Schließlich kommt sogar Jesus zu ihm und lässt sich taufen. Dies ist für Jesus der Beginn seines Wirkens als Sohn Gottes. Aber entsprechen diese eigenen Bemühungen um das Kommen eines Messias‘ zu ermöglichen unserem christlichen Verständnis von Gott, einem Gott, der sich durch Jesus auf den Weg zu uns gemacht hat, um selbst die Hindernisse zu beseitigen? Hat dieser Täufer damit für uns nicht ausgedient?

Johannes scheint einerseits noch in seiner Zeit verwurzelt, mit der Tradition, selbst etwas zu tun, um eine Distanz zu Gott zu überwinden. Doch er bleibt dabei nicht stehen, sondern weist auf den Beginn von etwas Größerem hin: Nach mir kommt der, der stärker ist als ich; ich bin nicht wert, dass ich mich vor ihm bücke und die Riemen seiner Schuhe löse. Ich habe mit Wasser getauft; aber er wird euch mit dem Heiligen Geist taufen. (Mk. 1, 7f)

Johannes weist von sich selbst weg, nur dadurch kann er auf etwas Größeres hinweisen und Wegbereiter sein für etwas Neues: Für einen Gott, der mit seiner eigenen Initiative den Weg zu jedem Menschen bereitet und eine Rechtfertigung anbietet, zu der niemand selbst etwas beitragen kann. Eine Einladung an jeden Menschen, die bedingungslos und nicht zu verdienen ist. Darin sind wir als Christinnen und Christen gleich. Das kann uns zu einem christlichen (Mit)Menschenbild bringen, bei dem jeder Mitmensch keine größere Gnade nötig hat als ich selbst.

Machen wir dann als Kirche, als Gemeinde, als Christinnen und Christen nur auf uns selbst aufmerksam oder weisen wir über uns hinaus, auf etwas Größeres: Jesus Christus? Oder verdecken wir ihn oder stehen ihm manchmal sogar im Weg? Der Appell von Johannes dem Täufer scheint auch heute noch aktuell und fasst sich für mich in dem kurzen Johanneszitat zusammen: Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. (Joh. 3, 30) Damit hat für mich der Johannestag eine Bedeutung. Vielleicht können Sie diesem „Abnehmen und Wachsen lassen“ auch etwas Positives abgewinnen oder haben damit schon erstaunliche Erfahrungen gemacht. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen persönlich und uns allen als Gemeinde eine gesegnete Zeit.

Ihr Kantor & Kirchenmusiker
Mathias Bertuleit