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Entstehung und Entwicklung der Ökumene in den beiden Gemeinden

Die schrecklichen Ereignisse für Dresden und seine Bewohner durch den Bombenangriff am 13. Februar 1945 hatten zum einen dazu geführt, dass den meisten Gemeinden viele Gemeindemitglieder und nahezu sämtliche Kirchenbauten verloren gingen. Zum anderen aber rückten die Christen unterschiedlicher Konfessionen – zunächst aus der Not heraus – zusammen und gewährten einander bereitwillig Unterstützung.

So waren die evangelischen Christen in Johannstadt und Striesen vollständig ihres Gemeindezentrums beraubt. Auch die Katholische Herz-Jesu-Gemeinde hatte ihre Gemeinderäume verloren. Wie durch ein Wunder hatte jedoch das Kirchengebäude das Bombardement und den Feuersturm nahezu unbeschadet überstanden. Dieses konnte rasch wieder instandgesetzt und für Gottesdienste genutzt werden.

So wurde der nach Kriegsende fusionierten Erlöser-Andreas-Gemeinde in den Folgejahren bis Ende des Jahres 1957 bereitwillig Gastrecht gewährt. Die Herz-Jesu-Kirche fungierte in diesen Jahren quasi wie eine Simultankirche.

"Im Gegenzug" erhielt der Glockenturm des katholischen Gotteshauses, der wegen des kriegsbedingten Einschmelzens von Glocken kein vollständiges Geläut mehr aufwies und neue Glocken benötigte, unter anderem leihweise zur Ergänzung auch eine Glocke aus der zerstörten evangelischen Andreaskirche, die den Angriff überstanden hatte. Auch wenn diese Glocke nicht ideal in das Klangbild der anderen Glocken passte, so blieb das "ökumenische Geläut" jedoch bis 1990 erhalten.

Diese, zunächst aus einer Notlage heraus entstandene Kooperation führte dazu, dass bereits in dieser Zeit ein guter Kontakt und reger Austausch zwischen den katholischen Gastgebern und den evangelischen Gästen entstand.

Hinzu kam ein enger persönlicher Kontakt des damaligen evangelischen Pfarrers Schmidt mit dessen katholischem Amtsbruder Pfarrer Derksen. Die beiden Geistlichen, die in den fünfziger Jahren die Geschicke der beiden Gemeinden leiteten, waren sich bereits aus den Kriegsjahren bekannt, da sie beide Divisionspfarrer im selben Armeekorps gewesen sind. Sie pflegten nicht nur eine gegenseitige Hochschätzung, sondern eine tiefe Freundschaft.

Diese enge Beziehung, die sich zwischen beiden Gemeinden entwickelte, war von daher eine Besonderheit, da in dieser Zeitphase ein ökumenisches Bewusstsein gemeinhin noch überhaupt nicht erwacht war, geschweige denn besonders gepflegt wurde.

Von diesen Kontakten zehrten beide Gemeinden auch in den Folgejahren. Als Ende der fünfziger Jahre die evangelische Erlöser-Andreas-Gemeinde eines der ersten wiederaufgebauten Gemeindezentren erhielt, war es ebenso eine Selbstverständlichkeit, dass dieses von der katholischen Nachbargemeinde zu Veranstaltungen mitgenutzt werden konnte. Auch wenn seit dieser Zeit die evangelischen Sonntagsgottesdienste einen eigenen gottesdienstlichen Ort erhielten, so wird bis in die Gegenwart die katholische Herz-Jesu-Kirche für die jährlichen Konfirmationsgottesdienste zur Verfügung gestellt und wurde bis in die achtziger Jahre hinein auch für eine Weihnachtsvesper genutzt.

Eine weitere ökumenische Blütephase entwickelte sich in den achtziger Jahren. Insbesondere unter den beiden Pfarrern Luckhaupt (Herz-Jesu-Gemeinde) und Fleischhack (Erlöser-Andreas-Gemeinde) bekamen die ökumenischen Kontakte nochmals eine kräftige Belebung. Da sich die beiden Geistlichen bereits aus gemeinsamen Schulzeiten kannten und schätzten, knüpften sie auch während ihrer Amtszeiten an diese guten persönlichen Kontakte an. So treffen sich seitdem einmal jährlich unter wechselnder Gastgeberschaft die Pfarrer der evangelischen Gemeinde nebst Ehefrauen mit dem katholischen Pfarrer und der Gemeindereferentin zu einem gemeinsamen Gesprächsabend. Es wurden in dieser Zeit regelmäßige gemeinsame Gemeindeausflüge (z.B. Dampferfahrten auf der Elbe mit Gottesdiensten auf dem Schiff; Straßenbahnsonderfahrt), eine gemeinsame Rüstzeit, gemeinsame Aschermittwochsgottesdienste zur Einstimmung auf die Buß- bzw. Fastenzeit und von den Jugendlichen der Gemeinden ein gemeinsames Taizégebet organisiert. Viele Jahre lang war auch ein ökumenisches Frühlingsfest fester Bestandteil des ökumenischen Jahresprogramms.

In dieser Zeit fanden auch die ersten gemeinsamen Sitzungen der Kirchenvorstände der evangelischen sowie des Pfarrgemeinderats der katholischen Gemeinde statt.

Der Kontakt erhielt dadurch auch eine politische Dimension, dass seit 1982 ein Friedenskreis bestand, der maßgeblich von den Pfarrern Albrecht (Trinitatisgemeinde) und Luckhaupt (Herz-Jesu-Gemeinde) initiiert und geleitet wurde. Diese Gruppierung spielte im Herbst 1989 eine maßgebliche Rolle beim gewaltfreien Übergang von der SED-Diktatur zur Demokratie.

Die Veränderungen Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre führten dazu, dass die Gemeinden sich zunächst nach innen hin ordnen mussten. In dieser Zeit wurde jedoch durch engagierte Laien das ökumenische Band dadurch weitergepflegt, dass 1992 ein Ökumenekreis gegründet wurde, der sich aus Mitgliedern beider Gemeinden zusammensetzt. Seine Tätigkeit stellte der bis heute bestehende Kreis unter das Leitwort "Gemeinsam beten, gemeinsam handeln, gemeinsam feiern."

Eine Neubelebung der Ökumene setzte Mitte der neunziger Jahre durch die beiden Pfarrer Weismann (Erlöser-Andreas-Gemeinde) und Swoboda (Herz-Jesu-Gemeinde) ein, die auch unter den jetzt amtierenden Pfarrern und von den Leitungsgremien der Gemeinden nach wie vor fortgesetzt und gepflegt wird.